23/05/11 - drei Pässe bis nach Kirgistan [Tag 286-293/km 7843-8043]

Ziemlich abgekämpft und seit Tagen ungeduscht erreichen wir Murghab, Provinzhauptstadt des Distrikts mit etwa 4000 Seelen. Die Einwohner bestehen zu 50% aus Kirgisen zu 50% aus Tajiken und aus einer usbekischen Familie, wie man uns sagt.

Das Leben funktioniert hier oben völlig anders. Wasser muss gepumpt werden, Strom gibt es nur jeden zweiten Tag, Licht aus Photovoltaik oder dem Generator, welcher aber ungern angeschmissen wird, da Benzin hier oben teuer und rar ist. Der Marktplatz ist eher eine Ansammlung von Containern und Blechhütten worin die wenigen Güter, meist Kekse, Konserven, Reis, Nudeln und alles was sich ewig hält sehr spärlich auf Regalen aufdrapiert wird. Das harte und unkomfortable Leben ist den Menschen ins Gesicht gemeißelt - doch stets mit einem Lächeln.

Vollgepackt mit Proviant fahren wir Richtung Karakul zum riesigen Meteorkratersee. Die Landschaft ist unv erändert karg, kalt und einsam_auf diesem Abschnitt begegnet uns kaum mehr Fahrzeuge. Dafür aber umso mehr Yaks und knall-orange Erdmännchen. Langsam steigen wir weiter, das Radeln wird immer anstrengender, der einstige Rückenwind bläst nun von vorne. Unsere Kräfte schwinden dahin, die täglichen Instantnudeln geben uns nur wenig Power. Kurz vor dem Ak-Baital Pass werden wir von einer Familie zum Frühstück eingeladen - es gibt Milch, frisches köstliches Brot und Yakbutter. Der Herr des Hauses ist die "Straßenwacht" des Abschnittes und zuständig für den höchsten Pass des Pamir Gebirges. Absolut beeindruckend und für uns unvorstellbar auf solcher Höhe und in dieser Abgeschiedenheit sein Leben zu verbringen.

Unser Schlafplatz an diesem Abend liegt auf etwa 4500m, die Nacht ist ungewöhnlich warm_das kann nur eins bedeuten, Schnee. Und so ist es auch. Als wir morgens die Köpfe aus dem Plastikhaus stecken, schauen wir auf leicht beschneite Berge und natürlich unsere Räder. Von nun an befinden wir uns ständig auf über 4000 Meter. Die Weiterfahrt ist mühselig und hart, der Gegenwind wird heftiger, Teilstrecken sind jetzt nur noch Waschbrettpiste; die Schönheit des Pamirs jedoch nimmt stetig zu. Mal kommen wir an einer Herde Yaks vorbei, mal an einem gerade aufschmelzenden Fluss, wo die Meter dicken Schnee- und Eisplatten langsam der Sonne zum Opfer fallen. Die Luft ist kalt und klar die Sonne jedoch brennt wie Hölle, selbst der Teer wird immer weicher und klebt an unseren schwer beladenen Rädern.

Nach 30 Tagen erreichen wir den Kizil-Art und blicken zur Linken auf den Peak Lenin. Nur wenige Kilometer trennen uns jetzt noch von Kirgistan.

 

15/05/11 - Khorog nach Murgab - Radeln auf dem Dach der Welt [Tag 277-285/km 7496-7843]

Erleichtert und froh fühlen wir uns, als wir nach dieser extremen Etappe schließlich die Stadt Khorog erreichen, was bedeutet, dass wir die afghanische Grenze ab jetzt verlassen und es nun gemächlich dem Hochplateau entgegengeht. Wir freuen uns über die sämtlichen Läden und das gemütliche Guesthouse, in dem es allerdings auch nicht mal fließend Wasser gibt und auf harten Polstern auf dem Boden geschlafen wird, so dass wir nach ein paar Tagen unser Zelt im Freien wieder vorziehen.

Ein unglaublicher Rückenwind bläst uns die gemächliche Steigung bergauf - ein Glück diesen Wind nicht als Gegenwind zu haben - und schneller und einfacher als geplant durchqueren wir das grüne Gunt Valley, so dass wir aufpassen müssen nicht zu schnell anzusteigen. Tatsächlich merken wir die Auswirkungen der zunehmenden Höhe und dem niedrigeren Sauerstoff-Druck auf unseren Körper schon in den ersten Tagen über 2500m und beschließen nicht mehr als 500 Höhenmeter pro Tag zu steigen. Immer wieder entlang der Straße finden wir aufgestellte Schilder von deutschen Hilfsprojekten, der EU und UN zur Entmienung, Katastrophenvorbeugung oder Wasserversorgung. Auch wir freuen uns immer über die gebauten Quellen und füllen unsere Flaschen auf. Trinkwasser in Flaschen gibt es schon lange nicht mehr zu kaufen, dafür viele klare Gebirgsbäche mit weltbestem Geschmack.

Wir folgen stets dem Pamir Highway, der einzig durchgehenden Straße durch das Gebirge, die zu Soviet Zeiten gebaut wurde und überraschenderweise fast durchgehend 'relativ gut' asphaltiert ist. 'Highway' ist allerdings eine großzügige Beschreibung für diesen abgeschiedene und wenig befahrenen Weg durch die Berge. Es passiert langsam und fließend und alles scheint sich irgendwie aufzulösen: der Verkehr (ein chinesischer Truck oder ein Jeep schon weit am Horizont zu erkennen, dann an uns vorbei, das wars für den Rest des Tages), Bäume werden zu Sträuchern, bis auch diese verschwinden, die sowieso schon dünne Besiedlung, Tiere, das Gefühl von Raum und Zeit. Und auf einmal sind wir oben auf dem Hochplateau auf dem irgendwie alles anders ist, umgeben von schneegestreiften Bergen, blauerem als blauem Himmel, in purer Stille im puren Nichts. Die Nächte sind so klar, frei von jeglicher Lichtverschmutzung, dass der Blick in den stern-explodierenden Himmel ziemlich überwältigend ist und wenn man nachts nochmal aus dem Zelt muss fast Angst einjagt.

Den ersten 4000-er säumen rechts und links Schneereste und es ist arg kalt. Ein paar  Tage zuvor muss hier noch alles eingeschneit gewesen sein. Hinter dem Pass präsentiert sich uns dann eine ziemlich unnormale - vielleicht dem Mond ähnliche - Landschaft und absolute Lebensfeindlichkeit. Unsere Tage sind hart. Ständig anhaltender, teilweise heftiger Wind, kalte Nächte und die extreme und brennende Sonne machen uns zu schaffen. Pamiris, die uns begegnen, sind dunkel und rau, Frauen in Tücher gehüllt (weniger aus religiösen Gründen) und nach Tagen aufgeplatzter schmerzender Lippen machen wir es ihnen gleich und vermummen uns auch. Die Versorgung mit Gütern ist schlecht - keine Hühner oder Tomatensträucher hier oben - und in den seltenen Läden kaufen wir die Konserven und Nudelsuppen auf, fragen Menschen nach Brot und bepacken unse re Räder mit manchmal spärlichen Ausbeute für die nächsten 4-5 Tage.

Trotz der Anstrengungen und auch mentalen Herausforderung (oder vielleicht gerade deswegen) gipfelt unserer bisherige Reise hier und scheint dem zurückliegendem Weg einen Sinn zu geben. Wenn wir morgens nach dem Aufwachen den Kopf aus dem Zelt in die weite, offene Landschaft stecken und jedesmal aufs Neue fasziniert von den intensiven Farben und der Unberührtheit der menschenleeren Welt vor uns sind, ist es wie eine Belohnung. Der mühsam zubereite Tee schmeckt dreimal so gut wie sonst und das Gefühl sich dann auf sein treues Rad zu setzen und auf zwei Rädern fast geräuschlos hier durch zu bewegen ist frei und großartig und surreal.



 

06/05/11 - Entlang des Pyanj - 400km Grenzfluß zu Afghanistan [Tag 267-276/km 7066-7496]

Die Abfahrt von Schulrabat (2200m) führt bereits durch eine vollkommen veränderte Landschaft. Brüchige, schroffe, steile Canyons führen auf steiler Dirtroad herab, bis wir schließlich in der Ferne das Tal erkennen, durch welches der Pyanj, der Grenzfluss zu Afghanistan fließt. Unten erwartet uns eine überraschend grüne Landschaft mit fruchtbarer roter Erde und warm feuchtem Klima. Unsere größte Sorge bei diesen Straßenverhältnissen bewahrheiten sich als  abends dunkle Wolken aufziehen. Nachts prasselt es Monsun-artig auf unser Zelt ein.

Am nächsten Morgen haben die Regengüsse die Dirtroad in eine Matschroad verwandelt: rote Pfützen verbinden sich zu Rinnsalen, Bäche werden zu kleinen Flüssen, die durchquert werden müssen. Wir heben, schieben, ziehen und drücken die Räder und durchqueren das saftige Tal im Schneckentempo. Dann plötzlich verengt sich die Landschaft. Wir sind in Mordor.  Rechts und links steil abfallende bedrohliche schwarzbraune Berge, tiefhängende nebelige Wolken und in der Mitte wir auf unseren winzigen Rädern...Hier bleibt eigentlich keinen Platz für eine Straße.

Absolut untertrieben wirken die "Vorsicht Steinschlag" Schilder bei den Geröllmassen, die teilweise ganze Straßenabschnitte wegreißen und unter sich begraben. Während den ersten 100km entlang der Schlucht bekommen wir zwei Steinlawinen mit, eine kleine auf unserer Seite nur 10 Meter vorm Rad und eine große auf der Afghanischen Seite. Auch die Schlafplatzfindung entwickelt sich neben der Buckelpiste zur absoluten Herausforderung: steinschlagsicher, eben, etwas sichtgeschützt und am besten nicht in einem Minenfeld sollte er sein_nahezu unmöglich!

In unserer fünften Nacht am Pyanj haben wir unsere erste von zwei dubiose Begegnung mit den sogenanten "Borderguards". Als wir an einem halbwegs geeigneten Plätzchen unser Zelt aufschlagen (es ist schon dunkel) kommt plötzlich ein alter Lada mitsamt vier Grenzern und einem Fahrer angeholpert; sie selbst scheinen über diese Begegnung ebenso überrascht wie wir. Während der Führer der Gruppe unsere Pässe und Permits kontrolliert ,laden die anderen Bettgestelle und allerhand Krams aus und tragen diesen runter zum Fluss. Unser erster Gedanke: Wir sind mitten ins illegale "Bettgestellschmuggelbusiness" gestolpert!

Nach der Kontrolle werden wir angewiesen im Zelt zu bleiben. Dennoch bekommen wir mit wie aus den Bettgestellen eine Art Brücke über den Pyanj gebaut, über den Fluss hinweg über Dollar verhandelt wird und schließlich Zeugs von Afghanistan nach Tajikistan oder umgekehrt gebracht wird. Wir wissen, dass dieser Abschnitt mit zur Schmugglerroute gehört und afghanisches Heroin und Rohopium an schmalen Abschnitten des Grenzflusses durch Tajikistan über Russland nach Europa gebracht wird. Die so gennante "Nordroute" durch Tajikistan löste die Schmuggelroute über die Türkei  und den Balkan nach Zusammenbruch der Sovietunion ab. Es ist kein Geheimnis das einige der Grenzer und Politiker auf Führungsebene an diesem lukrativen Business beteiligt sind.

Wie auch immer, dieser Umstand lässt uns nicht gerade besser schlafen und so sitzen wir schon um 4.00 morgens, noch bevor Sonnenaufgang im Sattel_unser absoluter "Fruehaufdemradsitzrecord"!

 

24/04/11 - Über Staubpisten bis nach Schurobad [Tag 263-267/km 6841-7066]

Der Weg zu den Pamirs nimmt zu dieser Jahreszeit einen Umweg über Kuljab und mehrere kleinere Pässe, da der über 3000m hohe Khaburabot Pass noch nicht passierbar ist. Nicht lange haben wir Dushanbe hinter uns gelassen, da uns die geteerte Straße zunächst verlässt. Autos und Laster, die den losen Sand hinter sich aufwirbeln, hüllen uns in Staubwolken. Tücher befeuchtet und um Mund und Nase gebunden schaffen Abhilfe. Die Sonne brennt auf uns runter und wir fragen uns, ob wir umsonst die Lasten von Kerzen, Daunenjacken und Winterstiefeln mit uns schleppen, können uns garnicht die kalten Temperaturen dort oben vorstellen. Gesicht und Lippen schmerzen und brennen von Sonne, Schweiß, Abgase und Staub.

Auf Grund der Hitze beschließen wir unseren Rhythmus nun vollends der Sonne anzugleichen und mit der Morgendämmerung um 4:30 aufzustehen. Abends versuchen wir zu kochen, bevor die fiesen Maikäfer um unsere Stirnlampen fliegen und fallen dann erschöpft in unser Plastikhaus. Den ersten Pass erfahren wir bei guter Straße am selben Tag. Der nächste wird mit losem Schotter und Schlagloch-Staubstraße wieder zu einer Herausforderung, bei der wir an die Grenzen des Fahrbaren stoßen. Zum Glück erspart ein Tunnel einen noch steileren Anstieg. Am anderen Ende des kühlen Dunkels bietet sich uns eine Perspektive auf den berühmten Stausee, der das ganze Land mit Strom versorgt. Er sieht aus wie eine ferne Landschaft in Neuseeland, mit bergigen Grünen Rücken, die aus dem Blauen steigen.

Die Berge wechseln sich mit grünen feuchten Tälern ab, in denen Mohnblumen und Rapsfelder blühen, Schildkröten und allerlei Käfer wohnen. Bei bester Straße und in schöner weiter Landschaft geht es wieder hoch, zum Pass hinter dem der Grenzstrom zu Afghanistan fließt. Doch die entgegenkommenden Autos deuten uns die uns erwartenden Straßenverhältnisse an. Fast jedes Fahrzeug unsere Richtung ist ein 4WD Jeep oder Laster mit hochgeseztem Luftanzug. Wie schlimm wird es wohl werden?

 

11/04/11 - In Duschanbe [Tag 250-263/km 6689-6841]

Tajikistan empfängt uns im blühenden Frühling, mit bunten Flaggen und großen Mosaiken von so was wie Sonnengöttinen am Straßenrand. Vielmehr als in den anderen zentralasiatischen Ländern finden sich hier Überbleibsel aus der Soviet Zeit: Hammer und Sichel an Bushaltestellen oder häuserbedeckende Lenin Mosaike und auch die Ortsnamen sind in kyrillischer Schrift. Bevor wir die Hauptstadt Dushanbe erreichen, werden wir beim Brotkaufen zum Frühstück in ein tajikisches Haus geladen und bewundern die mit lauter Teppichen und Sitzpolstern eingerichtete Wohnung. Die Kleider der Frauen sind bunt, samtig, schlicht geblumt oder schrill aus wilden Farb- und Musterkombinationen, dazu meist glizernde Kopftucher, die piratenahnlich am Hinterkopf gebunden werden. Tajikisch ist - neben Russisch natürlich - die Landessprache und fast identisch mit dem Persischen. Damit bildet Tajikistan die Ausnahme der turksprachigen zentralasiatischen Staaten.

Angekommen in Dushanbe können wir dann unser Zelt im Vorgarten eines kleinen Gästehauses aufschlagen und verbringen hier zwei Wochen mit Visaorganisationen und Planungen für die Weiterfahrt ins Pamir-Gebirge, wo die zweithöchste Straße der Welt auf uns wartet. Um in die autonome Region Gorno Badakhchan zu fahren benötigen wir ein spezielles Permit. Außerdem müssen wir unser Visum verlängern was einige Probleme mit sich bringt. Schließlich ist der Pass voll mit allen notwendigen Visa, Permits und Registrierungen und wir mit motivierter Vorfreude aufs Dach der Welt